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Zentimeter lang ist die Laute von Martin Junge. Barbara Willimek hört zu, wie
er sie dem Publikum im Falkenhof erklärt. (Rheine, 3.Oktober 2014)
Ingmar
Winter
Rheine - Am Tag der Deutschen Einheit fand im Rahmen der
Morrien-Ausstellung ein Vortragskonzert statt, das die westfälische Adelskultur
in der Zeit zwischen Reformation und beginnendem Barock mit reichem
Bildmaterial und viel zeitgenössischen Musikbeispielen vorstellte. Bezogen auf
die Zeit der Familie Morrien hatte der Referent Gerd Dethlefs den Blick auf „Menschen,
Macht und Musik“ der Zeit der Renaissance gerichtet, musikalisch begleitet von
Barbara Willimek (Gesang und Blockflöte) und Martin Junge (Laute).
Von Ingmar
Winter
Dieses
Vortrags-Trio war inhaltlich abgestimmt, der Vortrag nahm ständig Bezug auf die
Rheiner Verhältnisse und die Musikstücke setzten die Zuhörer zurück in die
Lebensart der westfälischen Adelsfamilien. Wichtig war für die gesamte Kultur
des 16. Jahrhunderts der Epochencharakter der Renaissance, die Gerd Dethlefs,
der Historiker für Landesgeschichte am LWL-Museum für Kunst und Kultur, mit
einzigartigem historischem Bildmaterial beschrieb. Der epochale Rückbezug auf
die griechische Antike hat eine freiere, nicht von kirchlichen Glaubenssätzen
abhängige Lebensart entwickelt, die eine individuelle Porträtkunst und die
Zentralperspektive, ein großes Interesse an der menschlichen Anatomie und einen
neuen Musikgeschmack hervorrief.
Zwei
Studentenlieder von Hans Judenkunig und Petrus Fabritius eröffneten den Abend,
Barbara Willimek sang sie mit textdeutlicher Altstimme, was für die Lautung der
niederdeutschen Texte wichtig war. Zwar erschienen die Liedtexte auf der
Beamerwand, aber der Klang der Sprache musste darüber hinaus artikuliert sein.
Patrarcas Besteigung des südfranzösischen Bergs Mont Ventoux gilt als
„Aufbruch“ in diese neue Zeit, auf der Ebene der Musik war es die Ablösung der
Gotteslob-Lieder durch Liebes- und Trinklieder zur geselligen Unterhaltung. Die
beiden Musiker hatten als Beispiel dieser veränderten Lied-Auffassung das traditionsgebundene
Marienlied „Maria zart“ (1512) von Arnolt Schlick aus der Frührenaissance dem
Lied „A lieta vita“ (um 1610) von Giovanni Gastoldi gegenübergestellt, das
antikes Liebesdenken mit christlichem Gottesglauben verbindet.
Gerd
Dethlefs ging auf die Machtverhältnisse der Landesfürsten ein, ihr mächtigster
Vertreter war der Graf zur Mark und von Ravensburg in Jülich-Kleve-Berg, der
wie alle Landesherren für Recht und Ordnung sorgte. Anschauungsmaterial
lieferten Bilder aus dem neuen Westfälischen Landesmuseum in Münster, wo der
Referent die Abteilung der Landesgeschichte führt. In diesem landesfürstlichen
Bereich gehörte die Familie der Morrien als calvinistisch reformiert zur
„Opposition“ und hatte somit keine wichtigen politischen Ämter inne. Zu landesweit
großen Ereignissen waren sie nicht eingeladen, wie zum Beispiel zur Hochzeit
von Johann Everswyn und Lucia Buys in Haarlem 1539, zu der Musik komponiert und
an diesem Abend gespielt wurde. Martin Junge stellte sie auf der Laute dar,
festlich klingend als gesellige Unterhaltung oder als gravitätische Huldigung
für Christian IV. in einer Komposition von John Dowland.
Die Laute
war die Königin der Renaissance-Instrumente, und Martin Junge führte seine zwei
Lauten vor, die „klassische“ mit dem herrlichen Wohlklang und die lange Laute
mit den zwei Wirbelkästen. Es war für das Publikum sehr interessant, als Junge
„seine“ Lauten erklärte und an Beispielen vorführte. Erstaunlich die
Vielfältigkeit des musikalischen Einsatzes: Die Laute war das klingende Instrument
beim „Chanson d’être amoureux“ (Claudin de Sermisy) und bei der melodischen
„Paduana Romanesca“ (Tielman Susato), begleitete das Spinnerinnenlied „Als ick
u vinde“ (Hubert Waelrant) und bildete den Basso continuo beim „Preludium“ aus
der erst vor kurzem im Landesmuseum Münster entdeckten Lautenhandschrift des
Bernhardo Schencking (1561), die mit einer Notenedition von Martin Junge
unlängst veröffentlicht wurde.
Dieses
Vortragskonzert war ein Höhepunkt im Vortragsangebot der Morrien-Ausstellung.
Das Zusammenspiel der fundierten Wort- und illustrierenden Ton-Kunst war in
höchstem Maße geeignet, die Zeit der Renaissance „erleben“ zu lassen. Neu und
überraschend auch ein musikalischer Vortrag einer Renaissance-Komponistin (!):
Zur Schwelle des Barock komponierte Barbara Strozzi die opernnahe Arie „Che si
può fare“, die Barbara Willimek (Alt) und Martin Junge (Basso continuo) unter
langem Schlussapplaus vortrugen.
Ingmar
Winter
http://www.mv-online.de/Region-Rheine/Rheine/1748711-Hervorragendes-Vortragskonzert-im-Falkenhof-versetzt-Zuhoerer-in-die-Morrien-Zeit-Leevste-ick-ben-van-u-gevangen!
Remscheid
Die Laute führte durch barocke Klangwelten."Banquetto Musicale" hat sich der Kammer- und Vokalmusik des 16. bis 18. Jahrhunderts verschrieben und gestaltet seine Konzerte durch wechselnde Besetzungen innerhalb der Programme farben- und abwechslungsreich.
Von Stefanie Bona
Davon konnten sich am Sonntagnachmittag die Zuhörerinnen und Zuhörer in der Pfarrkirche St. Bonaventura überzeugen, die ob des schönen Wetters und der zahlreichen Parallelveranstaltungen nicht sehr zahlreich, aber höchst interessiert der Musik lauschten. Der Generalbass als begleitendes Element spielt eine zentrale Rolle in der Musik des Barocks.
Im Vergleich zu vielen anderen Konzerten dieser Art eher selten und daher reizvoll war, dass nicht Orgel oder Cembalo diese Aufgabe übernahmen, sondern die von Martin Junge gespielte Laute. Einen hübschen Einstieg fanden die Flötistinnen Barbara Willimek und Anke Meisen mit der Sonate e-moll für zwei Querflöten von Wilhelm Friedemann Bach. Wie zwei Gesangsstimmen vereinigte sich das leichte und luftige Flötenspiel zu vollendeter Harmonie. Den Titel des Konzerts "Die Liebe ist ein tolles Ungeheuer" entlehnten die Musiker einem Stück aus den moralischen Kantaten von Georg Phillip Telemann.
Als Gesangssolistin erfüllte Barbara Willimek mit ihrer warmen Altstimme den Kirchenraum. Noch mehr zu überzeugen wusste sie allerdings gerade mit ihren sauberen Koloraturen in zwei Kantaten aus Heinrich Schütz' "Kleinen Geistlichen Konzerten" für Alt und Basso Continuo. Flötistin Anke Meisen gestaltete die Sonate Op. 1 Nr. 3 in G-Dur für Blockflöte und Generalbass von Loeillet de Gant mit sehnsuchtsvollem und dann wieder beschwingtem Spiel. Dass auch die von Laute und Barockcello erzeugten Klangbilder sehr inspirierend sein können, bewiesen Martin Junge und Monika Kasper mit der Sonate G-Dur von Martino. Hier war die Entstehungszeit des Spätbarocks sehr schön zu erkennen. Der Sprung in eine neue Zeit mit gefälligen Weisen und auch die Anlehnung an die Folklore war hörbar.
Quelle: RP; 16.06.2015
Remscheid
Die Arie als
Kummerkasten präsentiert
Remscheid. Die Werke großer Komponisten wie etwa Bach und
Telemann standen am Sonntagnachmittag beim Barockensemble Banquetto Musicale auf
dem Spielplan beim Konzert „Cantabo Domino". Mit großer Musikalität
entführten die vier Musiker ihre Zuhörer in der Heilig-Kreuz-Kirche in die
Epoche des Barock. Damit trafen sie den Nerv des Publikums. Die Künstler
erhielten viel Applaus.
Von Hagen Thiele
"Es
sind nur vier Bass-Töne, die das Grundgerüst dieses Werkes bilden. Darauf baut
die Arie auf, in der der verschmähte Liebhaber seinen Kummer klagt",
erklärte Sängerin Barbara Willimek im Vorfeld zu G. F. Sances‘ „Ursupator
Tiranno“. Willimeks leidenschaftlicher und doch anmutiger Gesang beseelte das
ohnehin schon emotionale Werk noch einmal, so dass es eine intensive Wirkung
entfaltete.
Die
Publikumsreaktion war bezeichnend: Nach einer kurzen Pause, um das Gehörte zu
verarbeiten, kam erst der verdiente Applaus auf. Hinter Willimeks Leistung
mussten sich ihre Mitmusiker Anke Meisen (Flöte), Monika Kasper (Barockcello)
und Martin Junge (Lauten) aber keinesfalls verstecken. Ihr Können stellten sie
jeweils mit eigenen Soli unter Beweis.
Dass das
Konzert unterm Strich so äußerst gut gelang, lag allerdings keinesfalls an der
Einzelleistung der Künstler, sondern an ihrer hervorragenden Abstimmung
untereinander. Egal in welcher instrumentalen Kombination, die Musiker
harmonierten stets bestens. Gleiches galt auch für Gesang und Melodien, die
sich zu einem ansprechenden Ganzen verwoben.
Kenntnisreich
waren die Ansagen vor den Stücken, die nicht nur bei Sances‘ Werk interessantes
Wissen zu den Kompositionen bereithielten. So erklärte Willimek etwa zu „Ecce
Homo", dass der spanische Komponist unbekannt und das Stück vermutlich im
späten 18. Jahrhundert entstanden sei.
Sanfte,
feierliche Melodien schmeichelten dem Ohr des Hörers und ließen die
Alltagssorgen schnell verblassen. In eine ähnliche Richtung ging auch T.
Albinonis "Adagio - Presto", das von seinen verspielten, leichtfüßigen
und unbekümmerten Tonfolgen lebt.
Live und
gekonnt umgesetzt war es das ideale Stück zum Entspannen und Genießen.
Quelle: RP, 05.07.2016
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